Unsere Volksschule – am Ende des Lateins

Kritik an den Neuerungen unserer Volksschule ist – endlich – salonfähig geworden: Sogar die unkritisch regierungstreue NZZ lässt Kritiker zu Wort kommen: „Grenzen der integrativen Schule werden sichtbar“, „Lehrkräfte sind zurzeit Mangelware“, „Jeder zehnte Drittklässler hat Mühe mit den Anforderungen“, „Renaissance des Frontalunterrichts?“

Anscheinend ist der erste Schritt zur Verbesserung der Schul-Malaise getan: Die grössten Probleme sind erkannt und benannt:

Lehrermangel

Die Schule hat Mühe Lehrkräfte zu finden, weil sich ihre Anforderungen weit von der Vorstellung vom klassischen Lehrer entfernt hat: Nicht mehr der Mensch, der Menschen unterrichtet, der ihnen Stoff und Bildung vermittelt und ihnen so ermöglicht, ihr Leben einfacher, vielfältiger, kreativer, selbständiger, verantwortungsvoller zu leben, ist vor allem gefragt.

Heute soll der Lehrer Organisator sein, zahllose Statistiken ausfüllen, Berichte schreiben, Elterngespräche beherrschen, die Schultage mit den vielen verschiedenen Lehrkräften organisieren. Nicht eine umfassende Allgemeinbildung, nicht Menschlichkeit, nicht Vorbildcharakter stehen im Mittelpunkt, wichtiger ist Universitätsniveau in wenigen einzelnen Fächern und das Einfügen in die bürokratischen Vorgaben der Erziehungsdirektion. Diese richten sich heute nicht nach den Bedürfnissen der Schüler, die mindestens lesen, schreiben, rechnen und ihre Umgebung, Land und Leute, Wirtschaft und Kunst kennen lernen sollten, sondern nach unerprobten Theorien von „Bildungsexperten“. Doch Kinder gehen zur Schule um für die Anforderungen des Lebens gerüstet zu sein und nicht, um Ideologien von schulfremden Pädagogen zu verwirklichen.

Integrativer Unterricht

Die Idee, alle Schüler unabhängig von ihren Sprachkenntnissen, Begabungen, körperlichen und geistigen Eigenheiten, Verhaltensauffälligkeiten  in der gleichen Klasse zu unterrichten, dafür Sonderschulen abzuschaffen und  Sonderpädagogen stundenweise ins Schulzimmer kommen zu lassen, diese Idee hat sich als unbrauchbar, jedenfalls schlechter als die frühere Lösung, erwiesen. Folge davon sind unglaubliche Unruhe in den Klassen, bis zu fünf Unterrichtende, resp. Beaufsichtigende zur gleichen Zeit im gleichen Zimmer, Überforderung der Lehrkräfte, Benachteiligung der „normalen“ Schüler, ungenügende Förderung der „speziellen“ Schüler.

Martin Wendelspiess vom Zürcher Volksschulamt spricht selber davon, dass „die Kommunen (gemeint sind wohl die Gemeinden) das Problem der Flut von Fachleuten im Klassenzimmer selber angehen können“ und: „Integration sei grundsätzlich sinnvoll, müsse aber nicht in jedem Fall erfolgen“ (NZZ 31.1.2011).

Es wäre deshalb an der Zeit, dass die Zürcher Erziehungsdirektion solches „Zurückbuchstabieren“ nicht nur indirekt „erlaubt“, sondern dies auch auf dem Verordnungsweg bzw. Gesetzesweg richtigstellt.

Vorläufig wird leider trotz dieser Erkenntnisse verzweifelt am integrativen Unterricht festgehalten. Und damit weiterhin auf wertvolle Lehrer verzichtet, die sich mit diesen von der Erziehungsdirektion selber verursachten Missständen an unseren Schulen nicht (mehr) herumschlagen wollen. Ein mir bekannter Erstklässler wurde im Verlauf seines ersten Schuljahres von sechs (!) verschiedenen Klassenlehrerinnen „betreut“,  selbstverständlich zusätzlich zu den speziellen Fachlehrern. Das heisst: Die Kinder hatten durchschnittlich alle 6.5 Wochen eine andere Klassenlehrerin! Solche Zustände darf es nicht geben! Sie belasten nicht nur Kinder und Eltern, sondern das Lernverhalten der Schüler fürs ganze Leben!

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