Harmonisierung – eine schön tönende Unmöglichkeit

Eines der drei Schlagworte aus der französischen Revolution heisst „Gleichheit“. 

Alle Menschen seien gleich, lautet auch die heutige Überzeugung, die vielen Massnahmen und Entscheiden zugrunde liegt. Dabei ist sie falsch! Die Menschen sind nicht gleich, schon von Geburt an sind sie verschieden, mag uns das auch ein Dorn im Auge sein. Auch während des ganzen Lebens bleibt das Schicksal eines jeden unterschiedlich.

Nicht gleich, aber gleichwertig

Wenn alle gleich wären, wäre alles so einfach. Vor allem auch für die Politiker. Es gäbe eine Regel, eine Richtlinie, eine Verordnung…und alles gälte für jeden gleich. Auf vielen Gebieten will man das bewusst und zu Recht, man denke ans Strafrecht oder ans Stimm- und Wahlrecht. Leider gibt es aber viele staatliche Anordnungen, bei denen „Gleichbehandlung“ falsch ist. Denn die Menschen sind nicht gleich, aber gleichwertig. Alle Menschen sind gleichwertig, eine ethische Forderung, die auch im Christentum gründet. Was aber macht man daraus?

Ungleiches gleich behandeln ist ungerecht

Gerade in der neuen Volksschulordnung wird deutlich, dass man unter den Schlagworten „Chancengleichheit“, „Harmonisierung“, „Integration“ alle Schüler  gleich behandeln will. Die Sonderbegabten, die Hyperaktiven, die Legastheniker, die Asozialen, diejenigen, die an Dyskalkulie, an Konzentrationsschwierigkeiten leiden oder die, welche die Sprache nicht verstehen…, sie alle sollen zusammen dieselbe Klasse besuchen und „harmonisch“ „integriert“ werden. Nun ist aber anscheinend auch unseren kantonalen Erziehungsdirektoren bei so viel Ideologie nicht mehr ganz wohl. Um den voraussehbaren Schwierigkeiten zu begegnen, stellt man zu all den verschiedenen Lehrern (auch auf der Unterstufe sind es bis zu zehn Lehrpersonen sein!), die eine Klasse jetzt schon gemeinsam unterrichten, einen oder mehrere Heilpädagogen ins Schulzimmer. Man muss sich die Situation in diesem Schulzimmer vorstellen: In der sogenannten Regelklasse sitzen ca. 25 Schüler aus verschiedensten familiären Zusammensetzungen mit den unterschiedlichsten kulturellen, religiösen und sprachlichen Hintergründen. Viele Schulen haben sich den Wünschen der Eltern angepasst: Es gibt kaum Gebote und Regeln, Fleiss und Leistung sind unwichtig! „Frontalunterricht“ ist selten geworden. Möglichst alles soll im Team besprochen und gelöst werden. Verschiedene Gruppen widmen sich verschiedenen „Projekten“ in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Wie aufwändig die Anleitung und Aufsicht der Lehrer in diesem Durcheinander ist, kann man sich lebhaft vorstellen. Und dazu kommen nun also noch die Kinder mit Lernschwierigkeiten und ihre Heilpädagogen.

Das Wohl des Kindes ist wichtiger als die Ideologie

„Gleiche Chancen“ und „Harmonisierung“ lauten die Schlagworte! In dem man alle Schüler „gleich“ behandelt, glaubt man selber als moralisch einwandfreier Mensch dazustehen, gerecht und vorurteilslos. Dabei verlangt das Wohl der Schüler ganz anderes: Kinder, die die gleichen Voraussetzungen mitbringen, kann und soll man gemeinsam unterrichten. Aber diejenigen, die eine Sonderbehandlung brauchen, werden besser gefördert, indem man in kleinen Gruppen auf sie eingeht. Warum diese falsche Gleichmacherei? Weil man sich vor der Verantwortung scheut, Kinder in eine spezielle Gruppe einzuweisen, weil man den Protest der Eltern fürchtet, weil man Angst vor einer Fehlentscheidung hat: Dabei ist Ungleiches gleich zu behandeln so falsch, wie Gleiches ungleich zu behandeln.

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