In Diskussionen fällt mir auf, wie wenig Unbeteiligte über unsere Volksschule wissen. Dabei wird sie seit Jahren „umgebaut“. Zum „Umbauen“ gehören Abreissen, Planen, neu Aufbauen. Dass das Abreissen voll im Gang ist, wird von niemandem bestritten. Dass etwas aufgebaut werden soll, davon lesen wir jeden Tag in den Medien. Leider fast nur aus der Feder von denen, die sich die Neuerungen ausgedacht und sie installiert haben, und diese haben logischerweise kaum ein anderes Interesse, als das Neue zu loben und dessen Mängel zu verschweigen.
Was ist die Aufgabe der Schule?
„Volksschule“ soll ja wohl eine Schule sein, die dem Volk, also allen Schülern, offen steht. Diese Schule sollte ihren Schülern wichtige Wissensgebiete vermitteln und sie in allen Fertigkeiten ausbilden, die sie im späteren Leben als Erwachsene benötigen und die sie sich nicht selber aneignen können. Dazu gehören die traditionellen Fertigkeiten wie Lesen, Rechnen, Schreiben, Handarbeiten. Aber auch logisches Denken, Selbständigkeit, Pünktlichkeit, Ausdauer, Fleiss gehören dazu, Freude an der eigenen Leistung, Selbstvertrauen, die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden und zu meistern. Wichtig ist die Verantwortung im Umgang mit anderen Menschen und mit der Umwelt, Verantwortung auch sich selbst und seinen Aufgaben gegenüber. Natürlich kann die Verwirklichung dieser Bildungsziele nicht allein der Schule überlassen werden. Im Gegenteil, sofern sie über die traditionellen Fertigkeiten hinausgehen, sind sie zuallererst von den Eltern anzustreben.
Soweit zur Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus? In der landläufigen Vorstellung gehen unsere Schüler in ein Schulzimmer, wo sie von einer Lehrkraft vor allem in Rechnen und Sprache unterrichtet werden. Doch dies ist falsch:
Wo ist der Klassenlehrer?
Längst werden unsere Schüler nicht mehr von einem Klassenlehrer betreut, in den meisten Fällen sind es mindestens zwei Lehrerinnen, die sich in diese Aufgabe teilen. Diese Aufteilung ist gewollt: die Lehrerbildung versteht sich heute als Ausbildung zum Fachlehrer. Das Klassenlehrermodell in der Primarschule ist in den Augen der Erziehungsdirektionen veraltet. Dass die heutigen Kinder, die oft aus Patchwork- oder Einzelerzieher-Familien kommen, auf eine stabile Beziehung zur Lehrperson besonders angewiesen wären, wird vergessen.
Eine Vielzahl von Pädagogen
Bereits in der Primarschule kommen zu den zwei Hauptlehrern zusätzlich zwei Lehrkräfte für die beiden Fremdsprachen englisch und französisch, je eine für Musik, für Turnen, für Schwimmen, dazu eine Heilpädagogin, eine Logopädin, eine Lehrkraft für Fremdsprachige und eine oder mehrere Lernhilfen. Selbstverständlich sind auch ein Psychologe und eine Schulsozialarbeiterin für das Wohl der Klasse verantwortlich. Acht bis zehn verschiedene Lehrkräfte sind bereits in der ersten Klasse keine Seltenheit mehr. Dass sich all diese Lehrkräfte untereinander absprechen müssen, erklärt die vielen Sitzungen und den immensen administrativen Aufwand der Lehrpersonen.
Das Lernen und Lehren wurde erschwert
Neu wurde in verschiedenen Kantonen auch der „integrative Unterricht“ verbindlich eingeführt. Diese rein ideologisch motivierte Reform verstärkt die Unruhe in den Klassen noch mehr, so dass sowohl normal begabte Schüler als auch solche mit Lerndefiziten verstärkt Mühe haben, sich den Lernstoff anzueignen. Und die Lehrer werden von der ganzen Betriebsamkeit und Organisation so überfordert, dass sie ihre eigentliche Lehrtätigkeit nur noch beschränkt ausführen können.