Die Werke von Friedrich Dürrenmatt begleiten mich seit dem Gym-nasium. Das erste gelesene war wohl „Romulus der Grosse“, des-sen Gedanken vor seinem Frühstücksei in ihrer absurden Folgerich-tigkeit ungeheuer packend waren.
„Der Besuch der alten Dame“ ist das Theaterstück von Dürrenmatt, das ich im Laufe des Lebens in verschiedenen Ausführungen im-mer wieder bewundert habe, zuletzt im letzten Herbst, zusammen mit einer Enkelin. Die Schlechtigkeit der Menschen tritt wohl in kei-nem anderen Stück dermassen stark hervor. Dürrenmatt gelingt es, die negativen Seiten der Menschen, ihre Herzlosigkeit gegenüber ihren Mitmenschen, ihren Egoismus, ihre Besitzgier überdeutlich darzustellen, indem er sie ins Absurde vergrössert. Dadurch erlaubt er uns Zuschauern einerseits, diese Fülle von Negativem mit etwas Abstand zu betrachten, andererseits zwingt er uns gleichzeitig, diese negativen Eigenschaften von uns Menschen zuzugeben, sie be-wusst zu sehen und damit -hoffentlich- auch zu bekämpfen suchen.
Auch in anderen Werken (Ich denke an „Die Physiker“, “Die Panne“, „Die Justiz“ gelingt es Dürrenmatt, seine Zuschauer aufzuwühlen und zum Denken anzuregen, indem er vordergründig Unterhaltung bietet, die Handlung aber fortschreitend und ohne Ausweg in Ab-gründe und Verderben führt.
Dieser Text wurde in ähnlichem Wortlaut in der «Schweizer Illustrier-ten» veröffentlicht.