Bauernfamilie auf der Alp

Acht Kinder haben die Bauersleute, die von Mai bis Oktober ihren Bauernhof im Tal verlassen und mit Familie und Vieh auf diesen Berggrat ziehen, der an schönen Wochenenden mehrere hundert Wanderer aus allen Richtungen anzuziehen vermag mit seiner prachtvollen Aussicht.

Hier betreibt die Familie nicht nur die Alpwirtschaft mit einer kleinen eigenen Käserei, hier bietet sie auch den vielen Wanderern den ganzen Sommer über Speis und Trank und einfache Zimmer an.

Heute ist der Himmel bedeckt und wir finden leicht einen freien Tisch auf der geräumigen Gartenterrasse. Der Bauer, auf dem Weg zum Stall, kommt herzu. Schon sind wir mitten im Gespräch und er erzählt von seinem behinderten Sohn, der nun volljährig in einem Heim lebe. Er sei blind, geistig behindert und könne ohne Hilfe nicht gehen. Fast ein schlechtes Gewissen habe er, wenn er daran denke, was das alles koste. Ein neuer Rollstuhl – „einfachstes Modell, er kann ja nicht selber fahren“ – habe 15’000 Franken gekostet. Ein Jahr lang habe man darauf gewartet. Auch die Fussschalen seien sehr teuer. Ob bei diesen Hilfsmitteln wohl Konkurrenzofferten eingeholt würden? Und ob sie so oft erneuert werden müssten? Mit dem privaten Heim seien sie sehr zufrieden. Sie könnten ihren Sohn jederzeit kurzfristig nach Hause holen. Bei schlechtem Wetter habe man Zeit für ihn, bei schönem wisse man nicht, wo einem der Kopf stehe. Vorher sei der Sohn in einem staatlichen Heim gewesen, da hätten sie jeweils zwei Monate zum Voraus ankündigen sollen, wann sie ihn heimholen wollten.

Jetzt kommt die Wirtin herzu, die sich eben nach dem Jüngsten umgesehen hat. Auch sie erzählt von der Familie, vom Zusammenhalt, von der Unterstützung, die sie von den älteren Kindern erfahre, die jetzt schon in der Lehre seien. Leicht sei es nicht immer gewesen mit acht Kindern, die man während der Schulzeit täglich ins Tal bringe. Aber das schlimmste habe sie erlebt, als eines eine Klasse habe wiederholen müssen. Da sei ein zweimaliger Besuch bei der Schulpsychologin vorgeschrieben. Beim ersten Treffen habe ihr diese, die ihre Familie noch nie besucht habe, vorgeworfen, wie unverantwortlich es sei, auf diesem Berggasthof mit Landwirtschaftsbetrieb so viele Kinder zu haben: „Die können sie ja gar nicht richtig fördern“. Das habe sie sehr getroffen, sei sie doch gerade mit ihrem achten Kind schwanger gewesen. Die Lippen der Bäuerin beben. Sie habe sich dann geweigert, ein zweites Mal zu dieser Person zu gehen.  „Das hät de Gmeind ersch no 1500 Franken gschpart“, habe der Schulpräsidenten bemerkt.

Nachdenklich und beeindruckt von der Eigeninitiative, der Lebenskraft und dem starken Verantwortungsgefühl dieser Familie, die nicht nur für sich, ihren Betrieb und ihre Gäste sorgt, sondern sich auch zu den Staatsausgaben ihre Gedanken macht, steigen wir zu Tal.

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