Silvia Blocher, Ehegattin von Alt-Bundesrat Christoph Blocher, stand früher oft im Fokus der Medien. Obwohl ihr Mann auch heute noch im Rampenlicht steht, versucht sie nun sich mehr Zeit für sich zu nehmen. Mit Tink.ch sprach Silvia Blocher über die Rolle Bundesratsgattin, die Herausforderungen der heutigen Zeit und über ihre Rolle als stolze Grossmutter.
Tink.ch: Frau Blocher, wie sieht der Alltag von Frau Alt-Bundesrätin Blocher aus? Gibt es da überhaupt ruhige, ganz normal verlaufende Tage?
Der Tag ist natürlich sehr geprägt von den Arbeiten meines Mannes. Und so läuft es tagtäglich anders. Vor allem die Essenszeiten richten sich sehr stark danach, wann er Zeit hat und wann nicht. Mein Mann empfängt täglich viele Leute, einmal pro Woche kommt das Fernsehteam von Teleblocher. Und es kommen auch Leute, die sich einfach einen Rat von meinem Mann holen möchten.
Das klingt, als richten Sie ihren Tag stark nach Ihrem Mann aus. Was machen Sie den ganzen Tag?
Ich kümmere mich um Haus und Garten. Da gibt es immer etwas zu tun. Ich bin für den ganzen Unterhalt der Liegenschaft zuständig. Zu meinem Alltag gehört auch das Schreiben. Bis vor kurzem schrieb ich monatliche Kolumnen für eine Familienseite im Internet. Früher für „Der Sonntag“. Manchmal schreibe ich auch Artikel, welche ich an Zeitungen schicke. Jedoch werden diese dann nicht überall veröffentlicht, denn vielfach ist man halt „Die Frau vom Mann“.
Die „Frau vom Mann“ ist natürlich stark ins politische Leben integriert. Wie stellen sie sich beispielsweise den Problemen einer immer älter werdenden Gesellschaft?
Das ist nicht einfach. Einerseits wird unsere Gesellschaft älter, anderseits sind die älteren Generationen gesünder als früher. Da kommt natürlich auch die Frage nach AHV und Rente. Ist es noch richtig, dass man die Leute Mitte 60 in Pension schickt, wenn man sieht wie fit und leistungsfähig die Menschen heute in diesem Alter noch sind? Eine Ausbildung dauert heute bis man fast 30 Jahre alt ist, dann arbeitet man 30 Jahre lang, und dann ist man noch 30 Jahre ausserhalb des Erwerbslebens.
Das heisst, Sie sind für eine Erhöhung des Rentenalters?
Es wäre sehr wahrscheinlich nicht schlecht, wenn man früher ins Erwerbsleben treten würde. Das ergäbe eine gezieltere Ausbildung. Ich habe vor kurzem eine Tagung besucht, an welcher über die AHV diskutiert wurde. Man kann sich fast nicht vorstellen, wie ungewiss ihre Zukunft ist.
Als Ehegattin von Christoph Blocher stehen Sie natürlich in der Öffentlichkeit. Wie weit beeinflusst dieser Status Ihre Privatsphäre?
Man muss sich eine Privatsphäre bewahren. Um unser Haus ist eine grosse Mauer. Als wir dieses Haus gekauft haben, gab es sie noch nicht, und sie glauben nicht, die Leute kamen damals bis vor die Fenster und schauten uns beim Essen zu. Da braucht man einen gewissen Schutz. Wichtig ist auch, dass man selber weiss, wer man ist. Man braucht ein gewisses Selbstverständnis, eine Verwurzelung, und man darf sich nicht einfach beeinflussen lassen von den Meinungen anderer. Ich schirme mich auch ein wenig ab. Ich möchte gar nicht alles wissen. Wir haben zum Beispiel keinen Fernseher, dafür ist mir die Zeit viel zu kostbar. Ich höre auch nie Radio, sondern lese Zeitung.
Wie sind Sie mit den Belastungen, Herausforderungen und Rückschlägen, was die politische Laufbahn Ihres Mannes betrifft, umgegangen?
Die damalige Bundesrats-Abwahl war für mich eine Erleichterung. Ich habe das Amt extrem als Belastung empfunden. Eigentlich gar nicht das Amt, denn das Reisen sowie das Sprechen mit Leuten, das bereitete mir Freude, und ehrlich gesagt, es gibt gar nicht so wahnsinnig viele Aufgaben als Frau von einem Bundesrat, aber die Atmosphäre war belastend.
Ihr Mann stand sehr im Fokus. Machte das manchmal auch Angst?
Ich hatte vielfach das Gefühl, dass überall Leute mit einem Dolch stehen, den sie ihm in den Rücken stechen möchten. Ich hatte auch Mühe mit der Art und Weise der Abwahl. Das Verräterische, dieser krankhafte Ehrgeiz, dass man keine ethischen Grenzen mehr sieht, das beschäftigt einen natürlich sehr, und das geht einem sehr nahe.
Sie sind nicht nur Ehegattin sondern auch bereits Grossmutter. Als Grossmutter darf man entspannen, loslassen, geniessen. Ist dies bei Ihnen auch so? Schöpfen Sie daraus viel Kraft?
Ja, meine Enkel geben mir sehr viel Kraft.. Ich habe acht Enkelkinder und diese sind alle sehr verschieden. Jedes hat seinen ganz eigenen Charakter. Vor allem über die Weihnachtszeit war natürlich viel Betrieb im Haus mit der ganzen Familie, und diese Zeit geniesse ich jeweils sehr. Ich versuche auch, Zeit mit meinen Enkeln einzeln zu verbringen. So lernt man die Kinder auf eine ganz neue Art und Weise kennen. Das ist eine Zeit, in der ich nichts organisiere, sondern einfach spontan mit dem Kind entscheide, was wir machen möchten. Ich finde es wichtig, dass man auf Kinder eingeht und ihnen die Freiheit lässt, die sie brauchen um sich zu entwickeln.
Wie sie auf Ihrer Homepage auch betonen, liegen Ihnen die Jugendlichen sehr am Herzen. Was meinen Sie zur heutigen Jugend? Haben wir genug und sinnvolle Freizeitangebote?
Was mir auffällt: Die Jugend ist extrem verplant. Es gibt so viele Angebote. Und diese engen immer auch ein wenig ein. Als ich vor kurzem von einem weiteren Jugendtreff las, überlegte ich, ob sich Jugendliche heute nicht mehr selber treffen können. Muss immer alles schon bereit stehen? Früher musste man sich selber organisieren. Welches Transportmittel gibt es? Wie kommt man wieder nach Hause? Man hatte viel weniger Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Meine vier Kinder konnten ihre Freizeitbeschäftigungen selber aussuchen, alles jedoch unter der Bedingung, dass sie selber wussten wie sie an diesen Ort gelangen und wie sie wieder zurückkommen würden. Heute gehen die Kinder ins Ballet, ins Englisch, zum Fussball spielen, ins Malen und vieles mehr. Es ist unglaublich wie verplant sie sind. Und die Mütter sind dauernd am Fahren.
Dann macht die Jugend heute zu viel?
Ich denke, es wäre besser, sie würden weniger machen. Kreativität kann sich nur bilden, wenn freie Zeit und Freiheit zur Langeweile vorhanden ist, und das fehlt heute bei vielen Kindern.
Man hört oft, den Jugendlichen fehle es heute an der Motivation zu lernen und etwas aus Ihrem Leben zu machen. Wie war es bei Ihnen? Wussten Sie schon früh, was Sie später gerne mal werden möchten?
Man musste sich auch früher schon relativ früh entscheiden, welchen Beruf man wählen wollte. Nur ist es heute nicht mehr so, dass man nach der Erstausbildung beim erlernten Beruf bleiben muss. Man hat verschiedene Möglichkeiten sich weiterzubilden, das gab es bei uns weniger. Ich habe mich entschieden, die Kantonsschule zu besuchen mit dem Ziel, später Lehrerin zu werden. Ich habe mich jedoch nach der Matura für ein Mathematikstudium entschieden – und bin dann auf Umwegen trotzdem beim Schulwesen gelandet, da es an vielen Orten an Lehrern fehlte. Ich gab als Aushilfe im Thurgau Schule und merkte, wie viel Freude mir dieser Beruf bereitete, und so machte ich eine Primarlehrerausbildung,
Das Schul- und Lernsystem in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert. Ich merke und erlebe selber: es wird immer mehr gefordert. Ist diese Entwicklung sinnvoll? Setzen wir die richtigen Prioritäten?
Ich glaube nicht, dass heute mehr gefordert wird. Auch wir wurden sehr gefordert. Aber heute hat man viel weniger System in der „Wissensübermittlung“. Ich mache öfters Schulbesuche, da bemerke ich, dass die Lehrmittel viel weniger bestimmt sind als früher. Die Strukturen, der Aufbau fehlen. Vor allem in der Unterstufe ist es wichtig, dass jedes Kind zuerst ein logisches Denken aufbauen kann. Zudem sind die Schwerpunkte der Wissensübermittlung heutzutage oft nicht altersgerecht. Ist es wichtig, dass ein Zweitklass-Kind alles über das Weltall weiss? Müsste man nicht zuerst die Welt des Kindes anschauen, in der es lebt? Am Schulsystem in der Schweiz muss man sicher etwas ändern, vor allem auch viele unsinnige Neuerungen und Verschlechterungen abschaffen.
Frau Blocher, das neue Jahr hat begonnen. Welche Wünsche, Hoffnungen und persönlichen Ziele begleiten Sie in das neue Jahr?
Ich versuche, mir in diesem Jahr vor allem die Zeit ein wenig besser einzuteilen. Im letzten Jahr habe ich extrem oft das Gefühl gehabt, ich sei nur am „Rennen“. Ich versuche Sachen, die weniger wichtig sind, nicht sofort zu machen, sondern eher ein wenig zurückzustufen. Und den Blick aufs Wesentliche zu richten.