Anfang derAchtziger Jahre reiste unsere Familie zum ersten Mal nach China. Mein Mann wollte dort die erste EMS-CHEMIE – Anlage besichtigen und weitere Auftraggeber besuchen. Vor allem aber wollte er einen gründlichen Eindruck von diesem Riesenreich bekommen. China war damals ein Land, das sich zwar vorsichtig der Marktwirtschaft öffnete, das man aber immer noch höchstens in einer Touristengruppe auf genau vorgegebener Reiseroute bereisen konnte. Und wir sollten nun also in unbekannte Gebiete vorstossen.
Wir waren ein stattlicher Tross, der sich in Hongkong aufs Schiff begab und nach einigen Stunden Flussfahrt im südlichen China landete. Am Hafen warteten unsere Vertreter, die eine Limousine und zwei Kleinbusse aufgetrieben hatten. Und nun begann das, was sich während unseres Aufenthaltes im Süden jeden Tag wiederholte: Wir sassen im Auto und fuhren langsam auf breiten Strassen, die so dicht von Velos befahren wurden, dass es kein Durchkommen gab. Unser chinesische Fahrer schien das gewohnt: Ununterbrochen hupend bahnte er sich einen Weg durch die „trampende“ Schar. Die Fahrräder waren schwer und massiv gebaut, was auch nötig war, dienten sie doch als Transportmittel für ganze Familien, für unförmige Kisten, für mehrere Hühnerkäfige, für lebende Schweine, etc. Einige ältere Menschen trugen ihre Lasten beidseits an den Enden einer Stange aufgehängt über den Schultern. Alle Menschen waren ausserordentlich schlank, trugen Hüte aus Reisstroh und weite dunkelblaue baumwollene Hosen und Jacken.
Genau diese Kleider regten meinen Mann zum Denken an: Immer wieder fuhren wir an Baumwollfeldern vorbei, Feldern, die doch eigentlich für den Anbau von Nahrungsmitteln benötigt wurden. Wäre es nicht sinnvoller, die Baumwolle durch synthetische Fasern zu ersetzen? Und da den Chinesen die Devisen zum Kauf dieser Fasern fehlten, sollten sie diese selbst produzieren. EMS würde ihnen das nötige Knowhow liefern. Diese Gedanken waren der Anfang einer jahrelangen Zusammenarbeit und zahlreicher Reisen ins Land der Mitte.
Auch mir ging diese unüberschaubare Menge von Menschen in ihrer eintönigen Kleidung nicht aus dem Sinn. Aber mich beeindruckte ihre Beweglichkeit. Flink verrichteten sie ihre Anliegen, unbeirrt von der feuchten Hitze, dem Staub der ungeteerten Strasse, der Last und der Unförmigkeit des Transportgutes. Und dieses unentwegte zielgerichtete Fortbewegen bewundere ich heute – mehr als ein Vierteljahrhundert später – mehr denn je. Es hat China zu einer der wichtigsten Weltwirtschaftsmächte werden lassen, und den Chinesen in kurzer Zeit eine Entwicklung zu mehr Wohlstand gebracht, die in der Geschichte wohl einzigartig dasteht.