In der Tageszeitung sind auf einer grossen farbigen Foto zwei Personen zu sehen, die sich die Hand reichen: Links steht eine Frau – den Kopf hält sie schräg, zur rechten Schulter geneigt – in unterwürfiger geradezu devoter Haltung. In der linken Hand hält sie ein dickes Buch. Mit geschlossenen Lippen lächelt sie, einen beinahe religiösen Ausdruck der Dankbarkeit und Bewunderung auf dem Gesicht, ihrem Gegenüber zu. Dieser, ein Mann, überragt sie um einen halben Kopf. Seine Körperhaltung drückt im Gegensatz zu der ihren Zurückhaltung aus. Auch er hält in der linken Hand ein dickes Buch, das dem der Frau aufs Haar gleicht. Den rechten Arm aber hat er nicht etwa zum Händedruck ausgestreckt; er hält ihn im Gegenteil eng an seinen Körper gepresst, was seinen Ausdruck der Zurückhaltung noch verstärkt. Sein Gesicht lächelt zwar, drückt aber höfliches Erstaunen und Unverständnis aus.
Wofür dankt die Frau dem Mann so herzlich? Ist er ein Arzt, der ihr oder einem Familienmitglied das Leben gerettet hat? Ist er ein Wohltäter, der ihr eine grosse Gabe überreicht hat? Hängt die Dankbarkeit der Frau mit dem Buch zusammen, das sie in der Hand hält?
Auf der Foto gibt es noch etwas zu sehen: Hinter der Frau steht eine Schweizer Fahne, hinter dem Mann ist eine EU-Fahne zu erahnen. Nun wird es klarer: die Frau ist eine Bundesrätin aus der Schweiz, die einem Mann aus der EU für etwas dankt.
Und was hat er der Frau Bundesrätin geschenkt? Ist es das Buch? Ist es gar ein Gesetzbuch? Ein Gesetzbuch der EU für die Schweiz, das der Schweiz vorschreibt, was sie zu tun hat?
Im Einspann zum Zeitungstext steht: „Die Bundesrätin bekam in Brüssel Klartext zu hören.“ War sie dafür so dankbar? War dieser Klartext so erfreulich für die Schweiz?
Steht das Bild etwa da als Sinnbild für die kleine Schweiz, die eine Wallfahrt nach Brüssel unternommen hat, um vom mächtigen Nachbarn, der EU, die Befehle entgegenzunehmen, und dafür erst noch selig lächelnd dankt?
Ist das die offizielle Haltung der Schweiz? Ist es die Haltung des Gesamtbundesrates? Oder des Parlamentes? Sind die Schweizer Bürger und Bürgerinnen damit einverstanden? Helvetia quo vadis?